Die Jahreszeiten in der Meteorologie sind weltweit angeglichen auf ein Quartal mit drei ganzen Monaten: Im Winter vom 1. Dezember bis 28. Februar. Um die Mitteltemperatur herauszubekommen, muss das Quartal ebenso abgeschlossen sein, wie ein Jahr für den Jahresrückblick. Dass sich einige Medien daran nicht halten, ändert nichts an dieser Unsitte. Vergleicht der Meteorologe Anfang März die ermittelte Durchschnittstemperatur mit dem 30-jährigen Mittel der Jahre 1960-90, kann er folgende "Prädikate" vergeben:
Ausgeglichen
zu kalt (bis 0,9 K negative Abweichung)
zu mild (bis 0,9 k positive Abweichung)
deutlich zu kalt (ab 1 K negative Abweichung)
deutlich zu mild (ab 1 K positive Abweichung).
Nach Ablauf knapp der Hälfte des laufenden Winters liegt die Mitteltemperatur bei -3,6 K. Vom Dezember 1962 bis Ende Februar 1963 lag die Mitteltemperatur bei -5,4°C.
"Tiefste Temperatur in Göttingen!"
An der Wetterwarte Göttingen sank die Temperatur am 7. Januar auf -24,1°C.
Folgende Schlagzeilen sind möglich:
"Tiefste Temperatur des Jahres": Ist zwar richtig, aber nach 7 Tagen des Jahres doch ein müder Rekord.
"Tiefste Temperatur der Saison / des Winters": Bisher schon, Göttingen hat allerdings auch schon in den letzten Februartagen (1956) -26,1°C geschafft.
"Tiefste Temperatur in einem Januar": In diesem schon, 1960 sank das Thermometer aber auch schon auf -25,8°C.
"Tiefste Temperatur der Dekade": Stimmt! Es ist ein neuer Rekord für Göttingen in der ersten Januardekade (Zeitraum von 10 Tagen).
"Tiefste absolute Temperatur": Das heißt nichts anderes, als die niedrigste offiziell aufgezeichnete Temperatur in Göttingen. Die liegt aber bei -28°C und stammt vom 16.02.1956.
Die Natur nimmt übrigens keinen Schaden an den momentanen Temperaturen. Es ist auch nur bedingt wahr, dass nach milden Wintern eine Schädlings- oder Mückenplage droht. In Gegenden mit durchweg milden Wintern ist dies auch nicht der Fall. Bis die Fressfeinde sich aber durch das Nahrungsüberangebot ebenfalls vermehrt haben, dauert es in der Tat ein wenig. Trotzdem hängt die Entwicklung beispielsweise von Mücken viel stärker von den Niederschlagsmengen im Frühling und Sommer ab, als von den Temperaturen im Winter. Die größten Mückenplagen gibt es entsprechend im sibirischen Tiefland, wo der Permafrostboden im Sommer nur oberflächlich antaut und die morastige Tundra ideale Brutstätten bietet.
Bemerkenswertes:
Die Mitteltemperatur der ersten Januardekade liegt bei -7,3°C, das entspricht einer Abweichung von -7,6 K gegenüber dem langjährigen Mittel. Im Vergleich zum Vorjahr liegt die Abweichung sogar bei 11,6 K. Zum Vergleich: Die Spanne der Göttinger Mittelwerte zwischen Januar und Juli liegt bei 16,8 K!
Exakt die gleiche Wetterlage im Sommerhalbjahr würde uns jetzt eine Hitzewelle bescheren. Tatsächlich strömt seit vielen Tagen Warmluft aus Südwesten in breitem Strom nach Mittel- und Nordeuropa. In den Mittelgebirgen taut es und bleibt auch nachts frostfrei. In den Tallagen hat sich ein Kaltluftsee gebildet, der durch die physikalischen Eigenschaften deutlich schwerer ist als die etwa 15 - 20 K wärmere Luft in der Höhe. Die insgesamt geringe Luftbewegung schafft es nicht, die bodennahe Schicht auzuräumen. So gleitet die südwestliche Höhenströmung über den Kaltluftsee. Durch Ausstrahlung in der Nacht und die starke Reflexion über dem Schnee am Tag (hoher Albedo) bleibt die untere Luftschicht kalt.
Wegen dieses Effekts zeigte der tiefste Messwert der WSG "nur" -20,2°C. Die Wetterwarte des DWD liegt entscheidende Meter tiefer südlich von Grone im Leinetal.
Wie geht es weiter?
Die Computersimulationen gehen nach dem kommenden Wochenende von einer Umstellung auf eine straffe westliche Höhenströmung aus. Bevor diese mit mildem, feuchten und windigem Wetter (wahrscheinlich) das Regiment übenimmt, wird es in den Niederungen Südniedersachsens bei zunächst dauerfrostigem Wetter bleiben, ab Mitte der Woche steigt das Thermometer auch bei uns tagsüber auf Werte leicht über den Gefrierpunkt.